Soirée d’Information sur la Psychologie Interview #2 – Frau Catherine Richard

Interview mit Frau Catherine Richard

Klinische Psychologin und Psychotherapeutin in der Kognitiven Verhaltenstherapie und Koordinatorin des CENTRE DE PSYCHOTHERAPIE BERELDANGE

 

Frau Richard, aufgrund der derzeitigen Umstände konnte die traditionelle Soirée d’Information sur la Psychologie der ALEP dieses Jahr leider nicht wie geplant stattfinden. Gerne hätten wir vor Ort von Ihrem Studien- und Berufsweg, so wie Ihrem derzeitigen Berufsalltag gehört und uns anschließend darüber ausgetauscht. Um unseren Zuhörern trotzdem einen kleinen Einblick in Ihren Werdegang geben zu können, möchten wir Ihnen auf schriftlichem Wege ein paar Fragen dazu stellen. Wir danken Ihnen vielmals, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen!

 

Über Ihre Studienzeit…

 

Weshalb haben Sie sich dazu entschieden Psychologie zu studieren?
Nach dem Abitur vor 13 Jahren wollte ich eigentlich Grundschullehrerin werden, habe aber das Aufnahmeexamen nicht geschafft. Danach war es zu spät, mich an einer anderen Uni als die in Luxemburg einzuschreiben und da hat mir das Psychologiestudium am meisten zugesagt. Anfangs wollte ich mit Kindern arbeiten. Mittlerweile bin ich sehr froh, dass es so gekommen ist und ich denke, ich wäre eine grauenvolle Lehrerin geworden und habe mich mittlerweile auf Erwachsene spezialisiert.

Entsprach das Psychologiestudium Ihren Vorstellungen?
Ich hatte keine wirklichen Vorstellungen vom Bachelorstudium, aber es hat mich sehr überrascht, wie komplex die Psychologie ist, und dass es neben der klinischen Psychologie auch andere Bereiche gibt wie die Sozial-, Neuro- oder Arbeits- und Organisationspsychologie. Ich war auch überrascht über die viele Biologie, Statistik und Forschungsmethodologie.

Was hat Ihnen besonders am Psychologiestudium gefallen?
Im Bachelor hat mir am meisten gefallen, zu verstehen, wie Menschen im Allgemeinen lernen, denken, handeln und fühlen und was sie dazu motiviert. Ich hatte nur ein oder zwei Semester ein Fach über klinische Psychologie aber im dritten Semester durfte ich ein Praktikum in einer Beratungsstelle machen und mein Betreuer war ein kognitiver Verhaltenstherapeut. Ab diesem Zeitpunkt, wusste ich genau, dass ich das auch machen wollte. Deshalb habe ich mich für einen klinischen Master entschieden, der mir sehr gefallen hat, weil er sich mit psychischen Störungen befasst hat. Darüber hinaus gab es neben den klassischen Examen auch viele Gruppenarbeiten und Referate zu halten, die benotet wurden. Das war eine tolle Abwechslung zum reinen Lernen.

Sie haben in Luxemburg und in Fribourg in der Schweiz studiert. Warum gerade an diesen Orten?
Ich habe 2007 an der Uni Luxemburg angefangen, weil mir nicht viel anderes übrigblieb. Für den Master, drei Jahre später, habe ich mich für einen klinischen Master in Fribourg entschieden, da dieser sehr kognitiv-verhaltenstherapeutisch aufgebaut ist, ich in Deutsch, Französisch und English studieren konnte und weil die Stadt sehr übersichtlich ist. Dort habe ich meine zwei schönsten Studienjahre verbracht.

Inwiefern war das Psychologiestudium für Sie eine Herausforderung?
Es ist ein komplexes Fach mit sehr viel Lernstoff. Alleine dieses zu bewältigen war eine Herausforderung, die viel Organisation benötigte, aber das ist bei allen Unistudien so. Im Allgemeinen war die Forschungsthematik aber die größte Herausforderung, inkl. meiner Bachelor- und Masterarbeiten, wo ich mit der Statistik teilweise überfordert war.

Sie haben nach dem Studium eine Ausbildung zur Psychotherapeutin und eine EMDR-Weiterbildung absolviert. Erachten Sie Weiterbildungen nach dem Studium als wichtig oder gar notwendig für den späteren Beruf?
Definitiv notwendig. Nach dem Master habe ich mich nicht in der Lage gefühlt, Patienten mit psychischen Störungen zu behandeln. Deshalb war es für mich außer Frage, eine zusätzliche Therapieausbildung zu machen, die vier Jahre gedauert hat, und die ich 2017 abgeschlossen habe. Die EMDR-Weiterbildung habe ich nach der Therapieausbildung gemacht, weil ich selbst von einer Arbeitskollegin vor sieben Jahren wegen einer spezifischen Phobie in einer einzigen Sitzung (!) damit behandelt worden bin und begeistert war, wie schnell und langfristig der Erfolg war/ist. Mittlerweile arbeite ich sehr viel mit EMDR.

Hatten Sie das Gefühl während Ihrer Therapieausbildung an der Universität Trier genügend Unterstützung, z.B. in Form von Supervisionen/ theoretischem Input, während den ersten Patientenkontakten gehabt zu haben? Was hat Ihnen am meisten geholfen?
Ja, definitiv. Unter der Woche habe ich gearbeitet und am Wochenende die theoretischen Seminare gehabt. Dadurch konnte ich sofort die neu gelernten Techniken bei den Patienten anwenden. Darüber hinaus hatte ich alle zwei Wochen Supervision, was sehr viel geholfen hat bei Schwierigkeiten. Für meine persönliche Entwicklung war die Selbsterfahrung äußerst hilfreich, um mich selber besser kennen zu lernen und zu verstehen.

 

Ihr Start in den Beruf…

 

Wie sah Ihr Weg nach dem Studium aus? Wo haben Sie Ihre ersten beruflichen Erfahrungen gemacht?
Nach dem Master habe ich ein halbes Jahr eine Pause gemacht und bin viel gereist. Im Frühling 2013 habe ich die Therapieausbildung an der Uni Trier begonnen und gleichzeitig ein einjähriges Praktikum in der Clinique des Troubles Emotionnels des Centre Hospitalier de Luxembourg. Hier habe ich Gruppentherapien beobachtet und einige Einzelgespräche geführt. Danach habe ich ein halbes Jahr bei der Ligue Luxembourgeoise d’Hygiène Mentale gearbeitet, wo ich nur Einzeltherapien machte. Schließlich habe ich zweieinhalb Jahre am Institut der Uni Trier Einzeltherapien gemacht. Das alles im Rahmen meiner Therapieausbildung.

Wie war für Sie die Umstellung vom Unileben auf das Berufsleben? Hatten Sie eventuell Startschwierigkeiten?
Meine ersten Einzelgespräche nach dem Master waren schon, wie ein Sprung ins kalte Wasser. Ich war manchmal überfordert, aber glücklicherweise hat der Austausch mit erfahrenen Therapeuten sehr geholfen. Der Beruf des Psychotherapeuten ist ein Beruf, der sehr auf Erfahrung basiert und mit der Zeit fühlt man sich immer sicherer.

Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für die Arbeit als Psychotherapeutin essentiell?
Für mich sind Empathie und bedingungslose positive Wertschätzung essentiell. Dies beinhaltet, dass man sich in den Patienten hineinversetzen und einfühlsam verstehen kann, was in ihm vorgeht, ohne zu bewerten. Einfach ohne Wertung und Vorurteile akzeptieren und annehmen, was der Patient fühlt und sagt. Nur wenn sich der Patient verstanden und nicht bewertet fühlt, kann er sich öffnen, und das ist die Basis für eine therapeutische Arbeit.

Haben Praktika während des Studiums Ihnen beim Berufseinstieg geholfen?
Ich habe während des Bachelor- und Masterstudiums zwei Beobachtungspraktika gemacht, die mir einen ersten Einblick in die klinische Psychologie gewährt, und mich in meiner Studienwahl bestärkt haben. Die Praktika während der Therapieausbildung waren definitiv hilfreicher, weil ich hier praktische Erfahrung mit Patienten sammeln konnte. Wie vorhin erwähnt, basiert der Beruf des Psychotherapeuten stark auf Erfahrung.

 

Ihr aktueller Berufsalltag…

 

Frau Richard, Sie arbeiten derzeit als Psychotherapeutin im Centre de Psychotherapie Bereldange. Können Sie uns kurz beschreiben, wie Ihr beruflicher Alltag dort aussieht?
Wir sind ein Team von fünf selbstständigen Psychotherapeutinnen und ein rein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Zentrum, das neben Einzeltherapien auch Gruppentherapien anbietet. Wir haben drei Therapieräume für Einzeltherapie und einen Gruppentherapieraum. Zweimal in der Woche biete ich ein Gruppentraining der sozialen Kompetenzen an. Das Training mit jeweils fünf Teilnehmern geht über 12 Wochen und richtet sich an Personen, die Probleme haben sich durchzusetzen, nein zu sagen, eine Kritik zu äußern oder über ihre Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Einzelgespräche habe ich maximal fünf am Tag, wenn keine Gruppentherapie ist. Das ist eine gute Anzahl für mich, wo ich qualitativ gute Therapie machen kann. Ich lege mir die Termine nach meiner täglichen Leistungsfähigkeit. Deshalb habe ich Mittagspausen von drei bis vier Stunden, weil ich um die Zeit ein Konzentrationstief habe. Kein Arbeitgeber würde diese Flexibilität genehmigen, und deshalb liebe ich die Selbstständigkeit. Montags habe ich mir frei gegeben. Neben der Therapie fällt auch administrative Arbeit an, wie Akten führen, Dokumentation, Rechnungen bezahlen (z.B. für Reinigung, Büromaterial, usw.), Rechnungen für die Patienten ausstellen und die ganze Buchhaltung.

Mit welchen psychischen Störungen haben Sie in Ihrem Beruf am häufigsten zu tun?
In der Einzeltherapie arbeite ich ausschließlich mit Erwachsenen Patienten ab dem Alter von 21 Jahren. Am häufigsten sind Depressionen, Ängste und Panikattacken, Burnout, Anpassungsstörungen, sowie Persönlichkeitsstörungen mit vielen Traumata.

Mit welchen Herausforderungen werden Sie als Psychotherapeutin im Alltag konfrontiert?
Patienten, die Druck machen, dass sich sofort etwas ändern soll und die möglicherweise die Erwartung haben, man hätte einen Zauberstab. Mittlerweile habe ich einen Umgang damit gefunden, aber es bleibt immer eine Herausforderung. Manchmal kommt es auch vor, dass mir Patienten Nachrichten schreiben, abends oder am Wochenende, dass es ihnen sehr schlecht gehe. Ich bin noch dabei, einen guten Umgang mit letzterem zu finden. Schwierig sind auch immer akute Krisen, wie Suizidalität oder wenn ich einen Patienten in die Psychiatrie einweisen muss.

Wie gehen Sie mit emotional belastenden Situationen in Ihrem Beruf um? Wie finden Sie einen Ausgleich?
Ich spreche mit meinen Arbeitskolleginnen darüber, mit denen ich auch privat sehr gut befreundet bin. Hier kann der Austausch egal zu welcher Uhrzeit stattfinden oder beim After Work. Der Austausch mit Arbeitskollegen ist im Allgemeinen extrem wichtig in unserem Beruf. Deshalb haben wir einmal im Monat eine strukturierte Teamsitzung, wo wir uns u.a. über schwierige Patienten unterhalten. Supervision von einem externen Therapeuten ist ebenfalls in Planung.

 

Hier können Sie optional noch weitere Ausführungen zu Ihrem Studien- und Berufsweg, so wie Ihrer derzeitigen Arbeit machen:
Seitdem ich wusste, dass ich Psychotherapeutin werden möchte, war es mein Traum gewesen, selbstständig in einer Gemeinschaftspraxis zu arbeiten, wo sich das Team sehr gut versteht und austauschen kann. Nach der Therapieausbildung habe ich mich 2017 direkt selbstständig gemacht, bekam aber nur ein Büro für zwei Tage in der Woche und war immer alleine. Daneben hatte ich immer nur befristete Arbeitsverträge in unterschiedlichen Institutionen. Als der letzte Vertrag im September 2019 endete, war ich den ständigen Wechsel leid und habe mich entschlossen, 100% selbstständig zu arbeiten und eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen, zusammen mit vier Arbeitskolleginnen, die ich auf meiner letzten Arbeitsstelle kennengelernt habe und mit denen mittlerweile eine echte Freundschaft entstanden ist. Nach mehreren Monaten Vorbereitung und Umbauten eines Apartments, das meiner Mutter gehört, haben wir schließlich im Januar 2020 das Centre de Psychothérapie Bereldange eröffnet und mein persönliches Herzensprojekt realisiert. Selbstständig kann ich mehr Geld verdienen, als angestellt, bin sehr flexibel und meine eigene Chefin, nehme nur die Patienten an, die ich möchte und arbeite mit meinen Freundinnen zusammen. Ich bin endlich angekommen in meinem absoluten Traumjob mit einem Traumteam.

Am Schluss, haben Sie noch einen Rat für zukünftige Studierende der Psychologie?
Ein Psychologiestudium macht nur Sinn, wenn man auch einen spezialisierten Master macht. Sonst sehen die Berufschancen als Psychologe/in ziemlich schlecht aus. Wenn man sich für die klinische Psychologie entscheidet und als Therapeut/in arbeiten möchte, ist eine Therapieausbildung notwendig. Nach dem Master kann man Störungsbilder diagnostizieren, aber wie man sie konkret behandelt, lernt man erst in der Therapieausbildung. Es ist ein langer Weg, der sich für mich aber definitiv gelohnt hat.

 

Frau Richard, wir danken Ihnen für das Interview!